über Baukultur

"Es ist nicht egal, wie es aussieht."

Über den wahren Wert der Infrastruktur

Hanno Rauterberg, Journalist, Kunst- und Architekturkritiker sprach beim Konvent der Baukultur 2024 "über den wahren Wert der Infrastruktur". Die Keynote gibt es nun auf der Website der Bundesstiftung Baukultur zum Nachlesen.

Auszug: "… Wenn überhaupt über Infrastrukturen diskutiert wird, dann im Modus der Klage. Weil diese Brücke marode, jenes Abflussrohr undicht und überhaupt das Schienennetz vollkommen veraltet ist. Nie ist von dem Schatz der Infrastruktur die Rede, davon, dass es sich dabei um eine der erstaunlichsten Künste überhaupt handelt: um eine Kunst des kollektiven Wollens. Infrastruktur verdankt sich einem hohen Maß an gemeinschaftlicher Entschlusskraft, sie braucht eine Gesellschaft, die in die Zukunft hineindenkt. Eine Gesellschaft, die etwas antizipiert, das es noch nicht gibt, aber über Generationen hinweg von Bedeutung sein wird oder sein könnte. Es braucht ein handelndes Kollektiv, ein Denken, das den Egoismus überwindet. Infrastruktur, das heißt: alles für alle.

Diese Kunst der Teilhabe, das kann man so sagen, ist die Basis unserer modernen Freiheit. Infrastruktur entlastet uns: Wir müssen keinen Holzofen anheizen, um zu kochen, es reicht, den Herd anzustellen. Wir müssen nicht zum Brunnen laufen, wir brauchen nur den Hahn aufdrehen. Infrastruktur bedeutet: mir wird vieles abgenommen. Ich kann mich freier bewegen, weil es Brücken gibt und ich kein Boot benötige, um ans andere Ufer zu gelangen. Und zur Freiheit gehört auch, auf meinem Weg durch die Welt nicht permanent durch Fäkalien und Abwässer stapfen zu müssen, denn es gibt eine Infrastruktur, die mich davon freihält. Umgekehrt wäre das Leben ohne Infrastruktur im Grunde unerträglich, eingeengt, unwägbar, unfrei. Oder anders gesagt: Erst die Kunst der Teilhabe ermöglicht einer Mehrheit der Menschen ein gelöstes, emanzipiertes Dasein. …"