Neubau Michelbach 1a - Wohnen und Arbeiten unter einem Dach Nordrach
Preisträger in der Kategorie Wohnungsbau
Das Gebäude auf einem steilen Hanggrundstück am Waldrand des Schwarzwaldes vereint Wohnen und Arbeiten unter einem Dach. Es wurde mit dem klaren Ziel entwickelt, ein gesundes, ökologisch konsequentes und kulturell eingebettetes Haus zu schaffen. Ein zentrales Element dieses Anspruchs ist die intensive und vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Baustoff Lehm.
Lehm als tragender Teil des Entwurfs
Schon beim Aushub wurde deutlich: Der anstehende Lehm aus der Baugrube würde nicht als Aushubmaterial entsorgt, sondern als wertvoller Baustoff im Projekt wiederverwendet. Insgesamt wurden rund 50 Tonnen Lehm verarbeitet - als thermische Schüttung, als Innenwandputz und als zentrales Gestaltungselement. Der Lehm kam dabei unvermischt und ohne unnatürliche Zusätze zum Einsatz.
Im Innenraum übernimmt der Lehm eine technische wie atmosphärische Schlüsselrolle: Seine hygroskopischen Eigenschaften regulieren die Luftfeuchtigkeit im Raum und sorgen ganzjährig für ein angenehmes Raumklima - ohne aufwändige Gebäudetechnik. In Verbindung mit Wandheizungen in der Putzschicht entsteht ein träges, gleichmäßiges Wärmeverhalten. Im Sommer hingegen puffert der Lehm Hitze, was in Verbindung mit der Strohdämmung einen exzellenten sommerlichen Wärmeschutz ergibt.
Technik integriert - reversibel und wartungsfreundlich
Ein weiterer Vorteil: Elektroinstallationen und Heizung wurden direkt in die Lehmputzschicht eingebettet. Im Falle technischer Änderungen kann der Putz abschnittsweise geöffnet, Leitungen erneuert und anschließend mit demselben Material wieder verschlossen werden - ohne Bauschutt oder Verlust an Raumqualität. So bleibt das Gebäude dauerhaft anpassbar, ohne seine Substanz zu beschädigen.
Lehm als Teil eines konsequenten Materialkonzepts
Lehm steht in diesem Projekt exemplarisch für einen anderen Umgang mit Ressourcen: Alle verwendeten Materialien sind regional, naturbelassen und rückbaubar. Die Kombination aus leimfreiem Massivholz, Strohhäcksel-Dämmung und Lehmputz ergibt einen vollständig kompostierbaren, zirkulären Wandaufbau. Der Lehm stammt teilweise direkt vom Baugrundstück, das Holz aus dem angrenzenden Wald, verarbeitet im Umkreis von unter 15 Kilometern. Diese radikale Regionalität war nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll: Der Verzicht auf aufwändige Materialien, Transporte und Technik ermöglichte ein hohes Maß an Eigenleistung. Der massive Sockel mit Werkstatt diente in der Bauphase gleichzeitig als Produktionsstätte für Innenausbauten und Lehmverarbeitung. So wurden nicht nur Emissionen, sondern auch Kosten minimiert. 
Architektonische Einbindung und kulturelle Kontinuität
Auch gestalterisch fügt sich der Lehm in die architektonische Haltung ein. Das Gebäude nimmt Typologien der historischen Schwarzwaldhöfe auf - etwa den „Drippel“, den tief heruntergezogenen Dachabschluss oder die Holzbauweise auf massivem Sockel - und übersetzt sie in eine zeitgemäße Formensprache. Der Lehmputz im Inneren wirkt dabei nicht dekorativ, sondern als stiller Träger der Atmosphäre: mit seiner warmen Haptik, seiner matten Farbigkeit und seiner Präsenz ohne Dominanz. 
Fazit
In diesem Projekt ist Lehm kein „Zusatz“, sondern ein zentrales, funktionales, gestalterisches und ökologisches Element. Er verkörpert den Anspruch, aus dem Ort heraus zu bauen - mit dem, was vorhanden ist. So steht der Lehm sinnbildlich für die Haltung hinter dem gesamten Bau: zurückhaltend, lokal, reversibel ,gemeinschaftlich ge dacht - und in jeder Hinsicht zukunftsfähig.